Schrift - quo vadis?
Seit über 2000 Jahren entwickelt sich unsere Schrift im Gleichklang mit den Neigungen und Moden der Epochen.
Die römische Capitalis Monumentalis, eine reine Steinschrift, ist bis heute die „Mutter“ aller Bildhauerschriften.
Die ausschließlich aus Versalien (Großbuchstaben) bestehende Schrift zeichnet sich durch ein annähernd perfektes, dem Goldenen Schnitt geschuldetes Gleichmaß der Zeichen selbst und ihrer Abstände aus. Zudem erhöhen die Serifen (dünn auslaufender Abschluss quer zum Balken des Zeichens) und der sogenannte „Wechselzug“ (dicke und dünne Buchstabenbalken durch den Wechsel des Breitfederzuges beim Schreiben) die Lesbarkeit optimal.
Im Lauf der Jahrhunderte formten sich die Letter nach ästhetischen Ansprüchen, aber auch nach materiellen Vorgaben. Die „Karolingische Minuskel“ zeigte z. B. erste Anzeichen einer „Schreibschrift“, was durch die handschriftlichen Kopien der Mönche auf dem neuen Material Papier in der späteren Romanik (ca. 900 - 1100 n.Chr.) zu begründen ist. Mit der Erfindung des Buchdrucks wurde – wenn man so will, aus technischen Gründen – die Fraktur populär. Klar und in proportionaler Harmonie zeigt sich in der Renaissance die Antiqua, die über Jahrhunderte und bis heute Schriftschnitte bestimmen sollte. Mit der Moderne (Bauhaus, seit 1919) gesellte sich als Kontrast zur Vielfalt der serifenbetonten Antiqua die Familie der Grotesk-Schriften hinzu. Ohne Serifen und ohne Wechselzug, prädestiniert für die Gestaltung moderner Medien, spiegeln diese Schriften Funktionalismus und nicht zuletzt eine globalisierte Weltsicht wieder.
Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist die Entwicklung von Schriften und Schriftbildern grenzenlos denkbar. Die Tendenz im Denkmalbereich bleibt jedoch klassisch orientiert und bevorzugt die Antiqua und ihre Nachkommen.